Muslimfeindlichkeit ist ein großes Problem in unserem Land. Die Debatte zu diesem
Thema konzentriert sich zu Recht auf demokratische Defizite in der Gesamtgesellschaft
im Hinblick auf die Abwertung und Benachteiligung von Muslim:innen.
Über die ergänzende Frage, welche Phänomene innerhalb der muslimischen
Gemeinschaften die gesellschaftliche Akzeptanz muslimischen Lebens in Deutschland
erschweren und die Wahrnehmung des Islam negativ prägen und damit die Zunahme
muslimfeindlicher Einstellungen begünstigen, wird in innermuslimischen
Diskursräumen indes viel zu selten gesprochen.
MuslimDebate 2.0 formuliert im Folgenden einige Thesen zu Problemen innerhalb der
muslimischen Gemeinschaften, deren transparente und öffentliche Diskussion dazu
beitragen könnte, muslimisches Leben in Deutschland differenzierter wahrnehmbar zu
machen und muslimfeindlichen Einstellungen entgegenzuwirken.
Muslimische Verdrängungsrituale: Terroristen missbrauchen unsere Religion nicht. Sie
gebrauchen sie. Sie bedienen sich eines Potenzials, das in unseren religiösen Quellen
angelegt ist. Unsere Religion hat auch ein Gewaltpotenzial. Dass wir mehrheitlich das
Friedenspotenzial unserer Religion in unserem Leben verankert haben und aktivieren,
ändert nichts daran, dass die islamistischen Täter sich darauf berufen, im Namen und
mit Rechtfertigung unserer Religion zu handeln. Wir müssen Methoden und Argumente
entwickeln, diese Legitimation, diese religiöse Rückbindung der Gewalt als
Gemeinschaft zurückzuweisen. Denn die Glorifizierung des Todes als heiligem
Martyrium beglaubigt nicht die übergeordneten Ideale unserer Religion. Sie macht sie
unglaubwürdig.
Scheindebatten: Die Verwendung der Begriffe »Islamismus« und »islamistisch« ist nicht
das Problem. Dass diese Begriffe mittlerweile von vielen als Synonyme für »Muslim«
und »muslimisch« verstanden werden, ist nicht Ausdruck der Feindseligkeit und
Diskriminierungsbereitschaft der deutschen Gesellschaft. Es ist die Folge unseres mehr
als 20-jährigen muslimischen Versäumnisses, die religiöse Begründung und
Rechtfertigung terroristischer Gewalt als unser innermuslimisches Problem zu
begreifen und zu bekämpfen. Dem Generalverdacht gegen Muslime, den wir beklagen,
haben wir durch unsere eigene Generalignoranz Vorschub geleistet.
Glauben als Identität: Unser Glaube ist kein Unterscheidungsmerkmal zum
»Deutschen«, vor dem wir uns in unserer muslimischen Wagenburg verschanzen. Wir
müssen formulieren, dass und wie Muslim-Sein und Deutsch-Sein keine Gegensätze
darstellen.
Die Verharmlosung des Extremismus: Die Ablehnung terroristischer Gewalt
islamistischer Täter verliert an Deutlichkeit und Entschiedenheit. Es gibt die Tendenz,
diese Gewalt als »Widerstand« zu rechtfertigen, sie als legitime Auflehnung gegen
tatsächliche oder auch nur vermeintliche Ungerechtigkeit zu unterstützen. Muslimische
Repräsentanten haben dieser Entwicklung nicht deutlich genug widersprochen.
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